Das deutsche Steuerrecht gilt als das komplizierteste der Welt. Und was tat die große Koalition als erstes? Sie schaffte den Sonderausgabenabzug für Steuerberatungskosten zum 1.1.2006 ab. Das hätten die Schildbürger nicht besser machen können!
Danach blieb der Bundesfinanzminister fast zwei Jahre lang in Deckung und machte keinen Mucks zu den zahlreichen Zweifelsfragen. Groß waren deshalb die Unsicherheiten bei Bürgern, Beratern und Finanzbeamten.
Doch der neue Anwendungserlass zum Sonderausgabenabzugsverbot (BMF-Schreiben vom 21.12.2007, IV B 2 – S 2144/07/0002) lässt immer noch manche Frage ungeklärt:
*** Steuerberatungskosten, die sich auf das Ausfüllen der einzelnen Anlagen zur Steuererklärung beziehen, sollen nicht zur Einkunftsermittlung gehören und daher nicht absetzbar sein.
Eine Ausnahme gilt lediglich für das Ausfüllen der “Anlage EÜR”. Absetzbar sind hingegen Kosten für die Ermittlung von Einnahmen und Ausgaben sowie für das Anfertigen von Zusammenstellungen. In den meisten Fällen erfolgt die Einkunftsermittlung jedoch durch Ausfüllen der entsprechenden Formulare, und zwar der Anlagen N, V, R, KAP, SO und AUS.
Daher müsste auch das Ausfüllen dieser Formulare absetzbar sein, wenn eine zusätzliche Auflistung von Einnahmen und Ausgaben nicht erforderlich ist.
*** Steuerberatungskosten, die sich auf Kinderbetreuungskosten beziehen, sollen nach Ansicht des Fiskus dem Privatbereich zugeordnet werden und somit nicht absetzbar sein.
Doch Kinderbetreuungskosten sind in den meisten Fällen erwerbsbedingt und damit wie Werbungskosten oder Betriebsausgaben abzugsfähig. Hierzu hatten die Koalitionsfraktionen von CDU und SPD einst versprochen, Steuerberatungskosten seien insoweit absetzbar, “als sie auf die Geltendmachung von Kinderbetreuungskosten entfielen” (BT-Drucksache 16/974 vom 15.3.2006, Seite 8 ).
*** Vermisst wird eine Aussage, dass Steuerberatungskosten in voller Höhe als Werbungskosten absetzbar sind, wenn der Privatanteil nicht mehr als 10 % ausmacht (R 9.1 Abs. 2 Nr. 1 LStR 2008).
Hierzu hatte die Bundesregierung einst erklärt, “die künftige Abziehbarkeit als Werbungskosten oder Betriebsausgaben hänge davon ab, wie groß der Anteil der enthaltenen zugeordneten Kosten der privaten Lebensführung sei. Betrügen diese nicht mehr als 10 Prozent, könne der Betrag komplett abgezogen werden, ansonsten sei aufzuteilen” (BT-Drucksache 16/255 vom 14.12.2005, Seite 7).
Es ist schon grotesk – und auch ziemlich ärgerlich, wie die Regierenden die Bürger für dumm verkaufen:
Begründet wird die Streichung des Sonderausgabenabzugs für Steuerberatungskosten mit der “Rechtsvereinfachung” (BT-Drucksache 16/105 vom 29.11.2005, Seite 4). Wie bitte?! Das ist Volksverdummung höchsten Grades: Das Eintragen von Steuerberatungskosten mit einem Gesamtbetrag in die Zeile 82 des Steuerhauptformulars war bisher eine leichte Übung und für jedermann verständlich. Richtig kompliziert wurde es erst mit der erforderlichen Aufteilung und Zuordnung!
Noch schlimmer aber ist, dass die Regierenden das Volk auch gezielt dumm halten wollen.
Seit Jahren schaffen sie immer kompliziertere Steuerregeln, die der normale Bürger nicht mehr durchschaut. Immer mehr Rentner, die sich wegen Alters ohnehin mit der Steuermaterie schwer tun, werden in die Steuererklärungspflicht getrieben (ab 2005). Benötigt der Bürger dann fachliche Hilfe bei der Steuererklärung, kann er diese Kosten nicht mehr steuermindernd absetzen oder aber der Werbungskostenabzug läuft ins Leere (ab 2006). Sucht er eine verbindliche Auskunft beim Finanzamt, muss er dafür extra bezahlen (ab 2007). Und nach wie vor ist die – sogar auch kostenlose! – Hilfeleistung von Freunden und Bekannten in steuerlichen Angelegenheiten verboten.
Angesichts dieser Tatsachen drängt sich der Verdacht auf, die Steuerbürger sollen davon abgehalten werden, ihre steuerlichen Rechte wahrzunehmen.